Verbot von Killerspielen

Einleitung

Am 20.11.2006 lief ein 18-jähriger Schüler an der Geschwister-Scholl-Schule in Emsdetten Amok, verletzte elf Menschen und richtete anschließend sich selbst. Die Nation war erschüttert. Schnell wurde durch die Medien und die Boulevard-Presse der Schuldige identifiziert. Der Täter spielte "Counter Strike" ein sog. "Killerspiel". Die Reaktion der Politik ließ nicht lange auf sich warten. Sofort wurde der Ruf nach einem Verbot solcher Spiele laut. Als Resultat reichte die Bayrische Landesregierung am 2.2.2007 einen Gesetzentwurf in den Bundesrat ein.

Inhalt des Gesetzentwurfes

Der folgende Passus betrifft die Computerspiele:

Virtuelle Killerspiele

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Spielprogramme, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen,
  1. verbreitet,
  2. öffentlich zugänglich macht,
  3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder
  4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen.

Dieser Teil könnte maßgeblichen Einfluss auf LARPs (Live-Action-Role-Playing) insbesondere SciFi-LARPs haben:

Menschenverachtende Spiele

(1) Ordnungswidrig handelt, wer
  1. Spiele veranstaltet, die geeignet sind, die Mitspieler in ihrer Menschenwürde herabzusetzen, indem ihre Tötung oder Verletzung unter Einsatz von Schusswaffen oder diesen nachgebildeten Gegenständen als Haupt- oder Nebeninhalt simuliert wird,
  2. hierfür Grundstücke, Anlagen oder Einrichtungen bereitstellt oder
  3. an solchen Spielen teilnimmt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und 2 mit einer Geldbuße bis zu 5.000 Euro, in den Fällen des Abs. 1 Nr. 3 mit einer Geldbuße geahndet werden.

Erster Blick

Auf den ersten Blick ist ein solches Verbot eine verlockende Sache. Jugendliche sollen den in einigen Studien nachgewiesenen Auswirkungen von Killerspielen entzogen werden. Diese Lösung ist sehr einfach und lässt sich populistisch gut verkaufen. Der Großteil der Bevölkerung durch die Medien polarisiert. So wird in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, dass Computerspiele von psychisch labilen, blutrünstigen, introvertierten Jugendlichen gespielt werden. Somit scheint das Verbot nur eine kleine Minderheit zu betreffen, was wiederum sehr bequem ist.

Andere Ursachen

Aber man sollte auch die Hintergründe des Amoklaufes beleuchten. Dabei kommen nüchtern betrachtet einige Fragen auf. Worin lag die Motivation des Amokläufers ? Dabei sollte man den Abschiedsbrief des Täters nicht außer acht lassen. Interessanterweise werden dort seine angeblichen Lieblingsspiele nicht mit einem Wort erwähnt. Vielmehr bezieht er sich auf die Amokläufe in den USA. Außerdem wird klar, dass der Täter sehr frustriert war, anscheinend keine Perspektive in seinem Leben mehr sah und sich mit dem üblichen Allerlei nicht abfinden wollte. Oder wollte er nur Aufmerksamkeit ? Es sollten die sozialen Ursachen hinterfragt werden. Wer hat versagt ? Die Gesellschaft, die Politik, die Schule, die Lehrer oder die Menschen in seinem Umfeld ? Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Ein Lösungsansatz ist komplizierter und weniger populistisch. Hier müsste von Seiten der Politik und der Gesellschaft bereits früh angesetzt werden damit ein Mensch nicht auf ein solch schiefe Bahn geraten kann. Aber dafür gibt es keine Patentrezepte und es benötigt viel Zeit bis Maßnahmen erste Früchte tragen würden. Besonders in den Bereichen Erziehung, Medienkompetenz müsste bereits im frühen Kindesalter angesetzt werden wobei Politik, Gesellschaft und das soziale Umfeld gleichermaßen in der Verantwortung stehen.

Die zweite Frage die aufkommt: Warum kann der Täter trotz eines Verfahrens wegen unerlaubten Waffenbesitzes Waffen in seinem Besitz haben ? Da haben Politik und Behörden versagt. Aber warum wird nicht für eine Verschärfung des Waffengesetzes plädiert ? Ohne Waffen wäre ein Amoklauf in der Form nicht möglich oder schwerer realisierbar gewesen. Aber eine Verschärfung oder gar ein Verbot würde grössere Kreise der Bevölkerung treffen und sind bei weitem nicht so populär wie ein Verbot von Killerspielen. Das würden sich einige Lobbies nicht bieten lassen. Man denke nur mal an Jagd- oder Schützenvereine. Aber auch ein Waffenverbot wäre nicht lückenlos gewesen.

Sinn/Unsinn des Verbotes

Das Problem bei dem Verbot ist, dass es neben den Jugendlichen auch mündige Erwachsene betrifft. Jugendschutz ist wichtig, sollte aber auch nicht nur in Verboten enden, zumal der Amokläufer selbst bereits volljährig war. Vielleicht sollte die Medienkompetenz der Jugendlichen gefördert und trainiert werden. Wer klar zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann, wird nicht versuchen die virtuellen Erlebnisse in die Realität zu übertragen. Der Jugendschutz in Deutschland ist schon sehr hoch. Zum einen ist hier die FSK (Freiwillige Selbstkontrolle) ein Mechanismus um Computerspiele nach Alterskategorien einzuordnen und ggf. den Verkauf an Jugendliche zu verbieten. Zum anderen werden Computerspiele von den Herstellern für den Vertrieb in Deutschland entschärft um eine möglichst geringe FSK-Einstufung zu erlangen. Das führt teilweise zu recht grotesken Formen:

In anderen Ländern Europas wird hingegen die unzensierte Fassung verkauft. Kann das Ausschalten eines Roboters mit grünem Öl als Blut wirklich zum Amoklauf motivieren ?

Durch ein Verbot riskiert man auch, dass solche Spiele erst interessant erscheinen. Wer will kann sich Spiele aus dem Internet besorgen oder kann seinen großen Bruder zum Einkaufen schicken. Das Verbot mag durchaus sinnvoll erscheinen wenn man den propagierten Zusammenhang von Killerspielen und Amokläufen betrachtet. Aber dabei wird die Anzahl der Spieler in Deutschland nach meiner Ansicht unterschätzt. Wenn man bedenkt, dass die vor Kurzem für "World of WarCraft" erschienene Erweiterung bereits mehr als eine Million Mal in Deutschland verkauft wurde, kann man sich denken wie viele Bürger dieses Landes ihren Feierabend oder Freizeit mit Computerspielen verbringen. Wenn man dazu die Anzahl der Amokläufe betrachtet ist für mich kein Zusammenhang erkennbar. Das Verbot würde viele friedliebende Menschen betreffen.

Man könnte auch Autos verbieten, weil wenige ihrem Leben als Geisterfahrer ein Ende gesetzt haben und dabei auch Unschuldige mit auf dem Gewissen haben.

Folgen eines pauschalen Verbots

Die schwammige Formulierung des Gesetzentwurfes würde auch viel größere Kreise ziehen als auf dem ersten Blick erkennbar ist. Viele Computerspiele beinhalten in irgendeiner Weise Gewalt und sei es auch nur als Nebenhandlung. Nicht nur die viel erwähnten Shooter, sondern auch andere Genres könnten betroffen sein:

Da blieben am Ende vielleicht nur noch "Tetris", "Nintendogs" oder ähnliche übrig. Man muss auch bedenken, dass in vielen Spielen das blanke Niedermetzeln mehr Nach- als Vorteile bringt und man sich damit viele Aspekte eines Spiels verschließt.

Aber selbst LARPs, was ich selber auch betreibe, blieben nicht ungeschoren. Bei jedem Fantasy- oder SciFi-LARP gibt es Kampfhandlungen auch wenn vielleicht nicht immer mit nachgebildeten Schusswaffen. Soll die ganze Rollenspielkultur in Deutschland verboten werden ? Aber warum werden populäre Sportarten wie z.B. Boxen gleich von vornherein vom Verbot ausgeschlossen. Ist Boxen keine Gewalt ? Ist dort etwa kein Blut zu sehen ? Begeht jede Schule, die eine Faschingsfeier veranstaltet, wo Kinder "Cowboy und Indianer" mit "nachgebildeten Schusswaffen" spielen, eine Ordnungswidrigkeit ?

Man sollte auch überdenken, dass Computerspiele oder LARPs für viele Menschen auch ein Ausgleich darstellen, mit dem sie von dem hektischen Alltag abschalten oder auch ihren Frust ablassen können. Es ist eben eine Freizeitbeschäftigng wie viele andere auch und keine abnormale Perversität. Soll man lieber auf der Strasse herumlungern ?

Generationenkonflikt

Natürlich ist die Skepsis, Verunsicherung und die teilweise Unwissenheit in Politik und Gesellschaft durchaus erklärbar. Die gesetzgebene Generation ist mit den neuen Medien nicht aufgewachsen. Für viele ist der Computer und damit auch Computerspiele ein Mysterium. Viele können und wollen vielleicht auch nicht verstehen, was jüngere Generationen daran finden. Leider ist dieses Defizit besonders bei den Politikern fatal, weil diese über die Zukunft des Landes entscheiden. Zwar lassen diese sich von Experten beraten aber auch diese dürften wohl kaum zu den Zockern gehören. Nach dem Massaker in Erfurt wurde ein konstruktiver Schritt des Dialogs getan. Damals lud die BPjM Vertreter aus der "Counter Strike"-Community ein und ließen sich das Spiel zeigen und erklären was die eigentlichen Ziele des Spiels sind. Das ist nach meiner Ansicht der richtige Weg. Anstatt einfach etwas zu verbieten sollte der Dialog mit den Menschen gesucht werden, die mit Computerspielen umgehen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass ein Großteil der sich im Internet bewegenden Bevölkerung gegen ein pauschales Verbot von Killerspielen ist.

Rolle der Medien

Die Medien spielen bei der Art wie derzeit die Diskussion geführt wird ein wenig rühmliche Rolle. Von den Boulevard-Medien erwartet man nicht, dass etwas anderes als stereotypische Fakten und Pseudowahrheiten präsentiert werden. Aber auch die öffentlich-rechtlichen Medien halten sich nicht zurück und liefern teilweise erschreckend schlecht recherchierte Berichte und Reportagen. Hier hat man manchmal den Eindruck, dass die vermeintliche Mehrheitsmeinung mit allen Mitteln bestätigt werden muss. Diese "Berichterstattung" löst bei vielen in der Bevölkerung Verunsicherung und Ängste aus und schüren den Ruf nach einem Verbot. Dass vielleicht auch wirtschaftliche Interessen bei der Berichterstattung im Hintergrund stehen, wirft ein interessantes Licht auf die Sache.

Fazit

Letztendlich kann man die Initiative der Politik als populistischen Schnellschuss betrachten, der von den eigentlichen Ursachen und Verfehlungen ablenken soll. Dass in vielen Familien Fernseher und Computer als Erziehungshilfe benutzt werden damit man sich mit dem Nachwuchs nicht befassen muss, wird nicht beachtet. Viele Eltern kümmern sich nicht darum, was ihre Sprösslinge am Computer so treiben und was sie spielen. Es werden vom Staat her keine Perspektiven für Jugendliche geboten. Stattdessen werden viele Bürger entmündigt, weil einige wenige sich selbst und dem Leben anderer Schaden zugefügt haben. Da sehe ich eine interessante Analogie zum "Kampf gegen den Terror": Im Namen der Terrorismusbekämpfung werden die Grundrechte der unbescholtenen Bürger immer mehr untergraben, dem eigentlichen Ziel des Terrorismus. Auch hier werden die Symptome und nicht die Ursachen bekämpft.

Ich will die Amokläufer nicht in Schutz nehmen. Aber "Verrückte" wird und hat es schon immer gegeben. Wer glaubt durch ein Verbot von Killerspielen würden Amokläufe verhindert werden, wird wohl leider in Zukunft enttäuscht werden. Deshalb hoffe ich inständig, dass sich die Politik etwas besseres als ein blankes Verbot einfallen lässt.

Besonderen Dank an Robert für seine Anregungen und Korrekturen.

Zuletzt modifiziert: 13.06.2008 Created with Vim